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WIRD HÜTTELDORF DURCH DAS ALLIANZ-STADION BESSER?
Ein Lichtmast wird zum Zeichen
Das Hanappi-Stadion existiert fast nicht mehr. Nach dem Ende des Abbruchs bleibt alleine ein einziger Lichtmast als Zeichen des alten Stadions stehen. Da beim neuen Stadion die Flutlichtanlage in das Dach integriert ist dient der Lichtmast nicht mehr zur Beleuchtung. Gründe für den Neubau sind das Bedürfnis nach bautechnischer Haltbarkeit, besserer logistischer Organisation und nicht zuletzt einem VIP-Bereich, der zusätzliche Einnahmen für das Vereinsbudget garantiert. Die Rapidfans werden ihr neues Stadion lieben.
Stell Dir vor, Du siehst von weitem den einzigen Lichtmast des Hütteldorfer Stadions. Ein Gedanke an Rapid wird sich kaum verhindern lassen, vermutlich auch an Hütteldorf. Als Fußballfan denkst Du vielleicht an Deinen Stammplatz und die Erlebnisse der Vergangenheit oder an die vielen Biere im Rapid-Dorf neben dem Stadion nach dem Spiel.
Die Reduzierung auf einen Lichtmast zerstört die ursprüngliche Funktion als Beleuchtung, der Lichtmast wird zu einem reinen Merkzeichen im städtischen Umfeld, was seine Bedeutung steigert. Eine Funktionstüchtigkeit ist nicht mehr notwendig. Welche Wahrnehmung der Lichtmast auslöst ist individuell, denn die Interpretation, was er nun ist, bleibt offen. So definiert der Architekt und Stadtplaner Kevin Lynch in „Das Bild der Stadt“ Merkzeichen als „optische Bezugspunkte“, die oft als Schlüsselfiguren zur Identifizierung verwendet werden und je nach Beobachter unterschiedliche Realitäten evozieren. (1)
Meine Wahrnehmung hat mir einen Streich gespielt, denn bei dem einzelnen, schlanken und hohen Lichtmasten des alten Stadions musste ich an ein Minarett denken, denn das Wort Minarett bedeutete im Arabischen ursprünglich „Leuchtturm“. In der Türkei werden Minarette an Festtagen mit Lichtern bestückt.
Die Umgebung bleibt wie sie ist
Das neue Stadion liegt im Interesse der Stadt Wien. Die Gesamtbaukosten von 53 Millionen Euro werden mit 20 Millionen Euro subventioniert, (2) ohne Bedingungen für den Neubau zu stellen, denn eine politische Einmischung in die Interessen von Rapid scheint zu riskant zu sein. Es wurde nicht überlegt, ob das neue Stadion als Chance für Verbesserungen der lokalen Umgebung genommen oder die Architektur im Rahmen eines Wettbewerbes entwickelt werden sollte.
Die Spiele werden weiterhin alle zwei Wochen Einzelereignisse sein. Das Fußballspiel bleibt eine geschlossene Veranstaltung, und nach dem Spiel wird das Stadion abgesperrt, Bier trinken kann man wie bisher in den Lokalen der Umgebung, im Rapid-Dorf oder zuhause. Rapid wird wie bisher Putztrupps in die Umgebung schicken und das Parkverbot während dem Spiel organisieren.
Identität greift um sich
Auch wenn sich die direkte Umgebung des Stadions kaum ändert, wird Hütteldorf und Rapid in den Medien neu präsentiert werden, und dies besonders durch einen neuen Mitspieler: Die Versicherung Allianz ist als Sponsor eingestiegen und wird in Zukunft namensgebend für das Allianz-Stadion sein. Allianz kauft sich mit dem Stadion, so Xaver Wölfl von der Allianz Versicherung in einem Interview mit der Zeitschrift Horizont, was der Versicherung fehlt, nämlich Emotion und Leidenschaft und möchte neben anderen Marketingideen das Allianz Stadion in den neuen Medien als Werbeträger verwenden. (3) Die Allianz hat mit 50.000 Mitgliedern die größte Fanbase eines Versicherungsdienstleisters. (4) Rapid bekommt als Gegenleistung Geld und verliert etwas Einfluss auf die eigene Medienpräsenz.
Durch eine positive mediale Resonanz des Allianz-Stadions wird sich auch die Wahrnehmung von Hütteldorf verändern, und natürlich liegt es im Interesse der Allianz-Versicherung, ihren Werbeträger möglichst positiv zu präsentieren. Dies wird, ernüchternd genug, ohne neue städtebauliche Qualitäten möglich sein.
Der Architekt und Stadtplaner Thomas Sieverts schreibt in seinem Buch „Zwischenstadt“, dass der Stadtbenutzer in seiner Erinnerung an verschiedene Orte der Stadt bisher negativ besetzte Elemente durch die Verbindung mit positiven Ereignissen umgedeutet und damit die Lesbarkeit einer Stadtregion verändert werden. (5) Das schöne, neue Allianz-Stadion kann also die Vorstellung der Stadtbewohner, wie Hütteldorf so ist, verändern, die Wahrnehmung koppelt sich zumindest für jene, die nicht in Hütteldorf wohnen, von der lokal vorgefundenen städtebaulichen und architektonischen Qualität ab. Somit wird Hütteldorf durch das neue Stadion mit seinem einzelnen Lichtmasten schöner, als es wirklich ist.
(1) Kevin Lynch: Das Bild der Stadt (Orginalausgabe 1965) (Deutsche Ausgabe: Birhäuser, Basel, 2001) S. 62
(2) Manfred Seeh und Georg Renner: Stadion-Neubau: „St. Hanappi“ dreht sich um 90 Grad (In: “Die Presse” Verlags-Gesellschaft m.b.H. Co KG. Online-Ausgabe 10.6.2014)
(3) Birgit Schaller: Historischer Tag für Allianz und SK Rapid (In: Horizont Nr. 42. Manstein Zeitschriftenverlagsges. m. b. H., Perchtoldsdorf. S. 14)
(4) ebenda.
(5) Thomas Sieverts: Zwischenstadt (Orginalausgabe 1997) (Birkhäuser, Basel, 2008) S. 125